Heute wollen wir uns mit einem weiteren Aspekt beschäftigen, der für moderne Unternehmen immer wichtiger wird: agil oder Wasserfall - es eine philosophische, wenn nicht gar eine religiöse Debatte - wobei sich beide Lager aber durchaus etwas vom Gegenüber abschauen.
In unserer Artikelreihe zu modernen Unternehmen haben wir bereits die Vielfältigkeit der Interpretation eines „modernen Unternehmens“, die Rolle flacher Hierarchien und die Gestaltung des Arbeitsplatzes als Ort der Begegnung und des Austauschs diskutiert. Die Erkenntnisse daraus sind so klar unklar, dass wir auf dieser Welle der fließenden Übergänge weiterreiten wollen.
Wir wissen mittlerweile, dass modern nicht immer gleich „modern“ ist. Wir wissen, dass flache Hierarchien nicht unbedingt das legendäre Allheilmittel für „antiquierte“ Unternehmen sind, als das sie oft dargestellt werden. Und wir wissen, dass eine zeitgenössische Interpretation des Arbeitsplatzes diesen als zweite Heimat voraussetzt, dies aber nicht immer funktioniert und schon gar nicht von allen gewünscht ist.
Unsere heutige Frage: Agil oder Wasserfall? Diese Frage ist nicht neu, aber sie hat in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. Agile Methoden gepaart mit Scrum und Kanban werden immer beliebter, insbesondere in technologieorientierten Branchen und kreativen Agenturen. Auch das gute alte Wasserfallmodell hat seine Stärken und ist in bestimmten Branchen und Unternehmenskontexten oft besser geeignet. Doch brechen wir das Ganze zunächst auf.
Was ist „agiles Projektmanagement“?
Agiles Projektmanagement beschreibt einen iterativen, also ein auf sich stets wiederholenden Schritten aufbauenden Ansatz, Projekte abzuwickeln. Hierzu gibt es ein Dokument, das sogenannte „Agile Manifesto“. Tatsächlich handelt es sich beim „Agile Model“ um eine Art Philosophie, deren Grundlage dieses Stück digitalen Papiers bildet.
Das schrittweise Vorgehen erlaubt es den Beteiligten, schneller voranzukommen und zudem schnell auf eventuell auftretende Veränderungen zu reagieren. Es steht im Kontrast zum Wasserfallmodell, das eher linear aufbaut und wenig bis gar keine Flexibilität zulässt – sowohl im negativen als auch aber im positiven Sinn.
Lösung oder Trend?
Agiles Projektmanagement kommt primär aus der Softwareentwicklung, hat über die letzten Jahrzehnte jedoch ebenfalls in anderen Branchen Fuß gefasst – und scheint nun einen wahrlichen Siegeszug durch die Branchen zu halten. Experten führen das vorwiegend auf die Tatsache zurück, dass Kunden, ob im B2C- oder im B2B-Bereich, auf immer schnelleres Handeln und kürzeren Reaktionszeiten ihrer Lieferanten angewiesen sind.
Wir persönlich gehen zudem davon aus, dass Schlagwörter wie „agile“ und damit oft gleichzeitig genannte Begriffe wie „Scrum“, „Kanban“ und viele andere die gleiche Rolle spielen wie das geflügelte Wort „flache Hierarchien“: Die Begriffe werden, ohne hinterfragt zu werden, als „modern“ wahrgenommen und als Allheilmittel propagiert.
Da wir schon dabei sind, wollen wir an dieser Stelle die Begriffe „Scrum“ und „Kanban“ kurz entschlüsseln, um anschließend eine für alle verständliche Gegenüberstellung mit dem Wasserfallprinzip möglich zu machen.
Scrum
Scrum wird oft (auch von meinem vergangenen Ich vor dieser Recherche) synonym zum „agilen Projektmanagement“ verwendet. Dabei ist Scrum nur eine Methode, in dessen Rahmen agiles Projektmanagement möglich ist. Kurz gesagt: „Agil“ ist die Theorie, Scrum eine Art, diese in die Praxis umzusetzen.
Beim Scrum geht es darum, ein Projekt in sogenannten Sprints und darauffolgenden Reviews schrittweise abzuarbeiten. Ein Projekt wird nicht vom allerersten, noch so kleinen Schritt bis zum großen Ganzen durchgeplant – weil das nach „agiler“ Auffassung gar nicht möglich ist. Das Projekt wird in kleine Häppchen aufgeteilt.
Diese Häppchen werden definiert, bearbeitet, besprochen – und dann fängt das Ganze wieder von vorn an. Bis später ein Produkt entsteht, das einem Mosaik gleicht, bei dem sogar nach Abschluss Steinchen ausgetauscht oder verändert werden können, ohne dass das Konstrukt in sich zusammenfällt.
Kanban
Kanban hingegen ist eine Methode, die den Arbeitsfluss visualisiert und darauf abzielt, Engpässe zu identifizieren und zu beseitigen. Durch das Begrenzen der gleichzeitig in Arbeit befindlichen Aufgaben („Work in Progress“) wird eine kontinuierliche und effiziente Arbeitsweise gefördert.
Grundlage von Kanban bildet das sogenannte „Board“, eine Tafel, auf der Kärtchen hin- und hergeschoben werden. In seiner einfachsten Form ist dieses Board in drei Bereiche aufgeteilt: „To Do“ (=zu erledigen), „(W)ork (i)n (P)rogress“ (=in Bearbeitung) und „Done“ (=erledigt).
Die Kärtchen, ein paar passende Regeln, wie und wann die Kärtchen verschoben werden dürfen, und ein fähiger Boardmaster, der oder die das Board aufgeräumt hält, sorgen für einen geordneten, systematischen Ablauf, dem es jedoch nicht an einer gewissen Flexibilität fehlt.
Agiles Arbeiten in a Nutshell
Ein „agiles“ Projekt ist in zahlreiche aufeinander aufbauende Segmente eingeteilt, die durch regelmäßige Feedbackschleifen bewertet werden.
Jedes Segment ist wiederum in kurze Etappen eingeteilt, die nach Wichtigkeit eingeteilt werden.
Eine enge Zusammenarbeit, hauptsächlich mit den Kunden, ist fundamental.
In regelmäßigen Abständen werden Anpassungen vorgenommen, die sich an die (neuen) Kundenbedürfnisse richten.
Es verbindet den Planungs- mit dem Ausführungsprozess, sodass auf eventuelle Veränderungen gut reagiert werden kann.
Die Vorteile
Schnellere Feedbackschleifen
Frühes Erkennen von Problemen
Hohe Aussicht auf Kundenzufriedenheit
Markteinführungszeit drastisch verbessert
Eigens zusammengesetzte Teams fördern die Produktivität
Flexible Prioritätensetzung mit Fokus auf Wertschöpfung
Die Nachteile
Der „Kritische Pfad“ und die Abhängigkeiten innerhalb des Projekts können nicht so klar definiert werden.
Es müssen Kapazitäten für eine Unternehmens-umfassende Lernkurve aufgewendet werden.
Eine Kostenabschätzung ist, wenn überhaupt, nur äußerst grob möglich.
Eine echte agile Ausführung mit einer kontinuierlichen Bereitstellungspipeline ist mit vielen technischen Abhängigkeiten und Entwicklungskosten verbunden.
Was ist „Wasserfall-Projektmanagement“?
Das „Wasserfallmodell“ beschreibt einen klar definierten Ausführungsprozess, der in Projektphasen eingeteilt ist. Erst nachdem eine Phase final abgeschlossen ist, kann man mit der nächsten beginnen. Ist eine Phase erst einmal abgeschlossen, ist es schwierig und wahrscheinlich sehr kostenintensiv, diese wieder aufzunehmen, um eventuelle Veränderungen oder Korrekturen vorzunehmen. Der Ablauf in einem „agilen“ Team ist vielleicht fast identisch, jedoch in kürzeren Etappen mit häufigeren Feedbackschleifen eingeteilt.
Das „Wasserfallmodell“ folgt also einem linearen Ablauf. Demnach eignet es sich besonders gut für Arbeiten, denen vorhersehbare, sich wiederholende Prozesse zugrunde liegen. Es kann aber dazu führen, dass Entwicklungsteams nicht vorankommen und so gegenüber der Konkurrenz ins Hintertreffen geraten.
Kleinste Abänderungen des Plans oder Versäumnisse können das gesamte Projekt in Mitleidenschaft ziehen. Außerdem können im Nachhinein auftretende Probleme oder Fehlerbehebungen das Team aus dem Rhythmus bringen, da es sich schon voll auf die nächste Phase eingestellt hat.
Struktur und System
Trotzdem hat das Modell auch seine Vorteile. Nicht umsonst war und ist es in zahlreichen Bereichen das bevorzugte Modell im Projektmanagement. Besonders die Fertigungs- oder Baubranche greift darauf zurück – immerhin ist es schwierig, einen Rohbau aufzustellen, wenn das Fundament nicht gelegt ist. Und falls das Fundament fehlerhaft ist, wäre das kostenintensive Wiederaufreißen noch das kleinste Problem für die Baufirma.
Das Wasserfallmodell gibt klar Projektphasen vor, muss daher nicht ständig koordiniert und angepasst werden. Daher sind die Abhängigkeiten innerhalb des Projekts klar definiert. Damit einher geht die Möglichkeit einer recht akkuraten Kostenschätzung vor Projektbeginn. Insgesamt zeichnet das Modell eine klare Struktur, ein System und wenige Abweichungen oder Überraschungen aus.
Für gewisse Projekte perfekte Voraussetzungen für einen erfolgreichen Abschluss – eben im Häuserbau oder der Fertigung im Fabriken. Hier folgt man gern einem klaren Plan, zumal gewisse Sicherheiten gegeben sein müssen und man nicht einfach reinpfuschen kann, weil sich der Kunde etwas Neues ausgedacht hat.
Ein absoluter Albtraum jedoch für kreative Arbeit, zum Beispiel im Marketing, oder in der Softwareentwicklung. Anpassungen müssen nicht einmal immer nur auf die Kunden zurückgeführt werden. Auch die Anforderungen der Branchen ändern sich stetig und können inmitten eines laufenden Projekts unausweichliche Änderungen mit sich bringen.
Wir bleiben dabei: Alles kann, nichts muss
Welche Methode für ein Unternehmen am besten geeignet ist, hängt von zahlreichen Faktoren ab, darunter die Natur der Projekte, des Teams, der Kunden und der Branche. Beide Methoden können effektiv sein, wenn sie in den richtigen Kontexten und auf die richtige Weise angewendet werden.
Es ist wichtig, dass wir uns davon verabschieden, eine Methode als universelles Allheilmittel zu sehen. Agile Methoden sind nicht für jedes Unternehmen und jedes Projekt geeignet, genauso wenig wie das Wasserfallmodell. Beide haben ihre Berechtigung und ihren Platz in der modernen Geschäftswelt. Wichtig ist, dass wir sie verstehen und in der Lage sind, sie effektiv zu nutzen.
Wir sollten uns nicht von Schlagworten und Trends leiten lassen, sondern immer das große Ganze im Blick behalten. Ein „modernes“ Unternehmen zeichnet sich nicht durch die Verwendung bestimmter Methoden oder Technologien aus, sondern durch seine Fähigkeit, effektiv auf Veränderungen zu reagieren, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln und dabei stets den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen.
So wie wir flache Hierarchien, flexible Arbeitsplätze und agile Methoden kritisch hinterfragen, sollten wir zugleich das konservativ anmutende Wasserfallmodell nicht vorschnell verwerfen. Stattdessen sollten wir uns immer wieder fragen: Was benötigt unser Unternehmen wirklich, um erfolgreich zu sein? Und welche Methoden und Werkzeuge können uns dabei am besten unterstützen? Denn letztlich geht es nicht darum, modern, sondern darum, effektiv, effizient und zukunftsfähig zu sein.