Alexander Seppi ist Screendesigner und einer der drei Köpfe von Kreatif. Auf dem ersten Blick ein Quereinsteiger, auf dem zweiten ein über die Jahre gewachsener Profi, dessen Werdegang einer akademischen Ausbildung in nichts nachsteht. Alexander erzählt mir, wie er vom Briefträger zum Designer wurde, woher er sein Know-how schöpft und wieso es kein Talent braucht, solange man bereit ist, neue Dinge zu lernen.
Alexander, du bist mit Hannes Wiedmer und Patrick Alber einer der Köpfe des Kreatif-Triumvirats, das den Laden hier schmeißt. In Zeiten der Master-Titel und Spezialisierungen und was uns die akademische Welt sonst noch so bietet bist du in deinem Bereich, dem Design, mittlerweile wohl als Quereinsteiger eine Ausnahmeerscheinung. Wie bist du zu deiner Berufung gekommen?
Da muss ich ein bisschen ausholen. Kunst mochte ich als Kind eigentlich nicht. Aber ich habe mich schon früh mit Computern befasst. Mit dem ersten Commodore habe ich zu programmieren begonnen. Als wir die ersten Windows PCs in der Schule hatten, habe ich mich mit Turbo Pascal befasst. Für unsere damalige Band habe ich nebenher die Artworks für die Alben entworfen, wobei ich meine ersten Schritte auf Photoshop tätigte. Somit habe ich meine Fühler zunächst im Printdesign ausgestreckt. Neben den Albumcovern hatten wir auch kleinere Gadgets, deren grafische Ausarbeitung ich gestaltet habe. Als logische Folge habe ich irgendwann ein Geschäft für Computer eröffnet und dort auch begonnen, Websites zu programmieren, zunächst nur sehr trockene html.-Seiten. Nach und nach habe ich mich auch mit anderen Dingen auseinandergesetzt, .php und so weiter. Also bin ich bei einer Agentur eingestiegen und habe dort neben dem Geschäft halbtags als Designer und Programmierer gearbeitet. Aber mir hat das Designen immer besser gefallen als das Programmieren – ich bin davon überzeugt, dass ich darin besser bin als im Codeschreiben.
Hat sich das bei dir schon als Kind herauskristallisiert, dass du in der kreativen Sparte arbeiten wirst? Was war damals dein Traumberuf?
Ich hatte nie einen. Ich bin jemand, der Dinge auf sich zukommen lässt. Deswegen habe ich zum Beispiel nie einen Oberschulabschluss erlangt, das war mir zu systematisch. Oder in anderen Worten: scheißegal (lacht). Versteh mich nicht falsch: Mittlerweile ärgert es mich, dass ich nie meinen Abschluss gemacht habe. Ich war in meinen jungen Jahren einfach nicht diszipliniert genug. Daher habe ich auch einen ziemlich abwechslungsreichen Lebenslauf: Ich war Briefträger, Maler, Verkäufer, Gemüselieferant, Koch, Tankwart – bis ich schließlich das Computergeschäft eröffnet habe, mein Vater hat mich dabei unterstützt. Im Laufe der Jahre habe ich mich immer mehr mit den Dynamiken und Logiken des World Wide Web auseinandergesetzt und bin schließlich nach einem fließenden Übergang beim Design hängegeblieben.
Also gründet deine Berufswahl nicht auf ein Talent, das sich schon früh gezeigt hat?
Ich weiß nicht, ob ich ein Talent habe. Ich weiß nicht, ob ich der geborene Heizungsinstallateur oder sonst etwas wäre. Denn ich habe es nie probiert. Ich weiß, was ich nicht kann: singen, obwohl ich es gerne mache. (lacht) Ich denke, wenn ich ein Talent habe, dann ist es Dinge zu lernen. Meine Devise lautete immer Learning by doing. Meiner Meinung nach hat man damit das größte Verbesserungspotenzial. Ich habe das bei allem so gemacht: Wenn ich nicht wusste, wie etwas funktionierte, dann habe ich so lange herumgebastelt, bis es funktioniert hat. Das galt und gilt bei mir sowohl für das Technische als auch im Design – besonders im Design.
Wie wird man als Quereinsteiger, als „Lerner“ zum Designer, der erfolgreich eine preisgekrönte Webagentur leitet? Wie hast du dir das Wissen eingeimpft?
Ich recherchiere viel, ich bin in zahlreichen Facebook-Diskussionsgruppen, in denen sich alles darum dreht. Das gleiche gilt für YouTube-Kanäle, außerdem habe ich viele Zeitschriften zum Thema abonniert. Große Designer, aktuelle Trends, Vintage – all das dient als Lern- und Inspirationsquelle. Man muss die Theorie kennen, aber auch die Programme beherrschen, ein gutes Gefühl für Ästhetik und ein gutes Farbverständnis haben. Ich habe die Theorie nie explizit gelernt, zum Beispiel an einer Universität. Aber ich habe mir mit meinem Vorgehen über die Jahre ein sehr umfangreiches Know-how angereichert, um heute sagen zu können, vor keiner Herausforderung zurückschrecken zu müssen. Zumal das Feedback der Kunden immer stimmt und die konstruktive Kritik von Hannes und Patrick sehr wertvoll ist, sodass wir immer gemeinsam die beste Lösung für unsere Kunden finden.
Und was macht Design zu deiner Berufung?
Ich war als Kind sehr extrovertiert. Hätte man damals hier schon etwas von ADHS gewusst, dann wäre ich sicher ein Musterbeispiel dafür gewesen. Im Laufe der Zeit, besonders in meinen Jugendjahren, habe ich mich immer mehr zurückgezogen und wurde immer introvertierter. Und wie du auch weißt, spreche ich nicht viel. (lacht) Designen gibt mir seit nun rund 20 Jahren eine alternative Möglichkeit, mich auszudrücken und meine Leidenschaft auszuleben. Außerdem bringt diese Introvertiertheit ein gewisses Maß an Empathie mit sich. Das macht es für mich leichter, mich in unsere Kunden und deren Bedürfnisse einzufühlen.
Als Angestellter bekommt man Inputs und der Spielraum für Fehler ist höher. Nun bist du als Firmeninhaber dein erster Kritiker, Lehrer und musst deine Arbeit verantworten. Wann war der Zeitpunkt gekommen, als du erkannt hast, dass du das so gut kannst, dass du sogar selbstständig deine Arbeit machen kannst?
Wir waren anfänglich bei Kreatif zu viert, nun bin von den Gründern nur noch ich übrig. Wir waren damals alle gemeinsam bei einem Unternehmen angestellt. Irgendwann wollten wir uns weiterentwickeln. Ich habe die Initiative ergriffen und die Gründung von etwas Eigenem angetrieben. Damals gab es schon einen Designer, sodass ich zunächst nur programmiert habe. Er konnte nicht programmieren, wir brauchten aber nur einen einzigen Designer. Daher habe ich – schweren Herzens – als Programmierer begonnen. Diese Zeit hat mich aber auch in meiner Entwicklung als Designer grundlegend weitergebracht. Nach ein paar Jahren ist der Designer schließlich ausgestiegen und so war für mich die Tür offen. Das Problem: Wir brauchten leider auch einen Programmierer.
Und dann kamen Hannes und Patrick …
Das Schicksal hat mich 2014 dann mit Hannes zusammengebracht, der damals sein eigenes Webstudio hatte. Wir spielten zusammen Fußball in einer Mannschaft. Wir kannten auch das Unternehmen des jeweils anderen, nur wussten wir nicht, dass der jeweils andere der Inhaber jener Unternehmen war oder geschweige denn dort gearbeitet hätte. (lacht) Irgendwann ist das Thema zufällig in der Kabine aufgekommen und wir haben uns immer mehr angefreundet. Wir kamen ins Reden, er war Programmierer, Patrick sein Mitarbeiter – und so hat sich langsam die Idee herauskristallisiert, dass wir die Unternehmen zusammenwerfen und Hannes, Patrick und ich Kreatif gemeinsam führen. Von da an haben wir einen exponentiellen Fortschritt hingelegt – konzeptuell, organisatorisch, betriebswirtschaftlich hat das Ganze richtig Fahrt aufgenommen. Und nun sitzen wir hier.